Somatische Achtsamkeit in Zeiten der Dysregulation

Somatische Achtsamkeit in Zeiten der Dysregulation

Das autonome Nervensystem ist ein komplexes System, das für viele Funktionen unseres Körpers verantwortlich ist, wie zum Beispiel die Regulation der Atmung, der Herzfrequenz und des Verdauungssystems. Es besteht aus verschiedenen Teilen, die auf bestimmte Ereignisse reagieren und dabei bestimmte Funktionsbereiche in den Vordergrund stellen und andere entweder in den Hintergrund oder gänzlich ausschalten.

Das autonome Nervensystem ist in der Lage, sich flexibel und anpassungsfähig auf alle denkbaren Situationen des Lebens einzustellen. Positive Ereignisse können dabei genauso wie herausfordernde Ereignisse eine natürliche Antwort des autonomen Nervensystems hervorrufen. Eine solche Flexibilität und Anpassungsfähigkeit bezeichnet man als Resilienz. Sie zeigt, dass das autonome Nervensystem in der Lage ist, sich selbst zu regulieren. Die Regulationsleiter reicht von Nervensystemantworten auf eine sichere Umgebung, zu Antworten bei Gefahr, bis hin zu Antworten bei Lebensgefahr. Alles das gilt für eine Sicherheitslagenbewertung im Außen wie im Inneren. Bei Gefahr und Lebensgefahr sprechen wir dann von Überlebensimpulsen.

Von einem dysregulierten autonomen Nervensystem sprechen wir, wenn es diese Resilienz verloren hat und z.B. für einen längeren Zeitraum in einem Überlebensimpuls stecken bleibt, wenn es von einem Ereignis überwältigt wird. Dann kann es zu einer Traumatisierung des autonomen Nervensystems kommen. Wichtig ist zu verstehen, dass Trauma nicht im Ereignis selbst liegt, sondern an der Überwältigung des Nervensystems und der Reaktion des Körpers darauf. Es gibt verschiedene Arten von Traumatisierung: Schocktrauma, Bindungs- und Entwicklungstrauma, komplexes Trauma. 

All dies kann zu verschiedenen gesundheitlichen Problemen führen, da ein dysreguliertes autonomes Nervensystem sehr viele Ressourcen des Körpers aufbraucht. Ein Beispiel dafür ist das unterdrückte Immunsystem bei Dysregulation im Nervensystem. Einige chronische Krankheiten können eine Folge davon sein. Dysregulierte autonome Nervensysteme brauchen dann Unterstützung, um ihre Selbst-Regulationsfähigkeit wiederzuerlangen und Ressourcen wieder freizugeben.

Hier geb es noch mehr dazuzuschreiben und zu erzählen. Dieses möchte ich mir für einen kommenden Blog und Podcast aufheben und nun detaillierter auf die somatische Achtsamkeit, als Regulationsmöglichkeit eingehen.

Wenn wir also dysreguliert sind, dann ist unser Bewusstsein in gewisser Weise fragmentiert. Wie komme ich zu dieser Aussage?

Im wachen Zustand können wir normalerweise uns selbst, unsere Umgebung und andere Menschen, Tiere, Pflanzen etc. bewusst wahrnehmen. Ich möchte am Rande erwähnen, dass wenn wir schlafen, unser Bewusstsein auch präsent ist, aber auf einer anderen Ebene und wir haben im Traumzustand immer noch eine Wahrnehmung für unser selbst. 

In beiden Bewusstseinszuständen verfügen wir über die Fähigkeit, unsere somatischen Ebenen wahrzunehmen. Entweder im Zustand des Träumens oder wenn wir wach sind. Also unsere Gedanken, Emotionen/Gefühle, Körperempfindungen, Bewegungen/Verhalten, unsere Sinne und unser Verbundenheitsgefühl/Spiritualität. Im wachen Zustand haben wir jedoch Zugriffsmöglichkeiten auf unsere somatischen Ebenen. Wenn wir dysreguliert sind, ist unser Bewusstsein teilweise oder ganz getrennt von dessen Verbindung zu den somatischen Ebenen und hat Schwierigkeiten diese Verbindungen im präsenten Moment herzustellen. 

Es sucht stattdessen oft im Inneren nach Anschlussmöglichkeiten und wählt dann aus Erinnerungen aus, die es für die Realität hält. Es ist aber eine fake Realität, aus der es eventuell selbst nicht wieder herausfindet. In diesem Fall ist eine professionelle, traumainformierte Begleitung sehr wertvoll, die dann bei der Orientierungssuche helfen kann.

Mit der somatischen Achtsamkeit können wir Stück für Stück, die somatischen Informationsebenen durchgehen. Dabei nehmen wir uns jeder einzelnen Ebene achtsam an und schauen, was sich im präsenten Moment zeigt. Ganz ohne es zu bewerten oder es verändern zu wollen. Jede Ebene hat bestimmte Qualitäten und Ausdrucksformen. Wenn wir unser Bewusstsein damit verbinden können, fängt das autonome Nervensystem an sich zu regulieren, weil dann Orientierung ins System kommt und Orientierung schafft Sicherheit. Das ist es, wonach das autonome Nervensystem, mit seinen neurozeptiven Eigenschaften permanent Ausschau hält. Der Teil, der sich um die Sicherheitslagenbewertung im autonomen Nervensystem kümmert, ist der Hippocampus, in der Mitte des Gehirns. Eines der geschütztesten Bereiche im Kopf.

Manchmal kann das durchaus herausfordernd sein und oberste Prämisse ist es, nichts zu erzwingen. Das zu nehmen, was wahrzunehmen ist, was sich eben in dem Moment zeigt und wenn es nur das Bewegen des kleinen Fingers ist. Wenn man so geduldig und achtsam vorgeht, dann kommen mit größerer Wahrscheinlichkeit mehr Ebenen nach und nach ins Bewusstsein.

Es gilt zu bedenken, dass wenn Trauma im Hintergrund steht, es eine Begleitung braucht, die durch die Prozesse hindurch begleiten kann. Sodass, wenn etwas sich während des Verlaufs zeigt, mit Professionalität darauf eingegangen werden kann. 

Durch die Achtsamkeit im Vorgehen holen wir langsam wieder das Bewusstsein mit ins Boot. Es hat durch die innen und Außenschau die Möglichkeit sich wieder mit den somatischen Ebenen zu verbinden und damit, mit dem autonomen Nervensystem und in den präsenten Moment zu finden. Das hilft dem autonomen Nervensystem bei dessen Selbstregulation. Weil, wenn wir uns selbst wieder spüren, uns mehr und mehr als ganz erleben, bringt dies Orientierung ins System und damit Sicherheit. Dies ist die Basis dafür, dass unser autonomes Nervensystem sich selbst regulieren kann.

Wie das mit der somatischen Achtsamkeit genau funktioniert könnt ihr in meinen regelmäßigen S-O-S Übungen Treffen erfahren, da ich dort die somatische Achtsamkeit einbaue. Ich kann auch von Herzen den Workshop "Somatische Achtsamkeit" von Kati Bohnet / Helpers Circle dazu empfehlen. Hier der Link: Workshop

Von Herzen, Tanja